Schadensersatz vom Zahnarzt wegen fehlerhafter Zahnprothese

Geht ein Patient zu einem Zahnarzt, um sich einen Zahnersatz bzw. eine Zahnprothese anfertigen zu lassen, ist es selbstverständlich erwarten zu können, mit dieser problemlos essen zu können. Verursacht die angefertigte Zahnprothese schmerzhafte Druckstellen oder gar einen dauerhaften Brechreiz muss bei der Herstellung etwas schief gelaufen sein. Entspricht die Zahnprothese nicht den wissenschaftlichen Standards, kann und muss der Arzt in Haftung genommen werden.

Der Gang zum Rechtsanwalt bringt Klarheit darüber, ob gegenüber dem Zahnarzt Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz bestehen können.

In unserem Fall ließ sich die Patientin eine neue Zahnprothese für den Ober- und Unterkiefer anfertigen. Diese blieb jedoch auch nach mehreren Nachbesserungsversuchen fehlerhaft und schmerzhaft, weshalb die Patientin Schmerzensgeld sowie Ersatz andere Schäden forderte. So konnten im Wege eines Vergleichs 4.000 Euro und Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz realisiert werden.

Im dargestellten Fall blieben die Probleme der Patientin auch nach mehrmaligen Nachbesserungsversuchen nicht beseitigt. Im Folgenden möchten wir Ihnen die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Schadensersatzes hierfür vorstellen und aufzeigen, welche Höhe im Einzelfall vor Gericht erstreitet werden kann.

I. Vorgehen zur Herstellung einer Zahnprothese

Wurden bereits zuvor Zahnprothesen genutzt, muss vor Erstellung einer neuen Prothese die Bisshöhe der vorherigen Prothesen in Ruhelage festgestellt werden. So wird im klinischen Leitfaden zur Totalprothese ausgeführt:

„Zunächst werden Strichmarkierungen auf Nasenspitze und Kinnspitze mit einem befeuchteten Rot-Blau-Stift aufgebracht. Der aufrecht stehende Patient wird gebeten, den Kiefer herunter hängen zu lassen und mit der Zunge die Lippen mehrfach zu befeuchten. Außerdem sollte der Unterkiefer nach rechts und links bewegt werden. Zum Abschluss soll der Patient den Unterkiefer wieder locker hängen lassen und dabei die Lippen locker aufeinander legen. Die Distanz zwischen den Strichmarkierungen wird gemessen. Derselbe Vorgang wird mehrfach wiederholt, wobei es eher selten ist, dass immer exakt derselbe Abstand eingenommen wird. Eine Streuung von 1 bis 2 mm ist vielmehr die Regel. Beträgt die Differenz zwischen Ruhelage und Bisshöhe 2 bis 3 mm, kann davon ausgegangen werden, dass die Vertikaldimension des alten Zahnersatzes korrekt war. Es ist dann zweckmäßig, sie in die neuen Prothesen zu übernehmen.“

Müssen zwei Prothesen dann angepasst werden, ist darauf zu achten, dass die Mittellinie zwischen den oberen mittleren Schneidezähnen und den unteren mittleren Schneidezähnen auf einer Linie liegt. Um dies zu erreichen, nimmt man üblicherweise Maß zwischen der Mitte der Spitze der Nase und der Mitte der Kinnspitze. Auf der zwischen diesen Punkten gedachten Linie sollten die beiden Lücken liegen. Auf derselben Linie liegt in den meisten Fällen auch die Aussparung für das Lippenbändchen.

Ein derartiges Vorgehen führt zu einer optimalen Anpassung und infolgedessen zu einer problemlosen und schmerzfreien Nutzung.

II. Fehlerhafte Zahnprothese

Wird das oben beschriebene Vorgehen nicht eingehalten oder die daraus erhaltenen Erkenntnisse nicht oder nicht richtig verwertet, ist das Ergebnis eine fehlerhafte Zahnprothese. Werden Zahnprothesen je für den Oberkiefer und für den Unterkiefer benötigt, können die einzelnen Prothesen für sich fehlerhaft sein. Vor allem aber deren Zusammenspiel kann zu unangenehmen Folgen führen.
So können etwa die oberen und unteren mittleren Schneidezähne versetzt sein oder jeweils die obere oder untere Prothese hervorragen. Beides hat zur Folge, dass der Patient nur erschwert oder gar nicht essen kann. Auch können die Prothesen einerseits an der Mundschleimhaut nicht richtig angepasst oder andererseits zu groß sein, sodass sie zu locker sitzen und daher beim Essen und Sprechen nicht halten oder zu einem ständigen Völlegefühl führen.

III. Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler des Arztes liegt zumindest dann vor, wenn er gegen die Regeln und Standards der ärztlichen Wissenschaft verstoßen hat (sog. Therapiefehler). Wenn ihm Handlungen passieren, die einem Arzt des entsprechenden Fachs einfach nicht unterlaufen dürfen, lässt sich von einem groben Behandlungsfehler sprechen (der zu gewissen Beweiserleichterungen vor Gericht führt).

Es ist nicht auszuschließen, dass im aufgezeigten Prozess der Herstellung Fehler unterlaufen. Es entspricht dann jedoch dem fachärztlichen Standard, Nachbesserung an den Prothesen vorzunehmen. Sind derartig große Fehler passiert, dass die hergestellten Zahnprothesen nicht mehr für den Patienten zufriedenstellend verändert werden können, bleibt dem behandelnden Arzt keine andere Möglichkeit als ein neues Produkt anzubieten, um die Beschwerden abzustellen. Wird dies unterlassen, liegt ein Behandlungsfehler vor.

Im vorliegenden Fall wurden Oberkiefer- und Unterkieferprothese nicht so aufeinander angepasst, dass sie gemeinsam im Mund Platz finden. Weiterhin wurde die Aussparung beim Lippenbändchen an die falsche Stelle gesetzt. Auch die Befunderhebung an sich war bereits fehlerhaft, da die geschilderten Strichmarkierungen nicht vorgenommen und das Erstellen der Prothesen hierauf angepasst wurden.

IV. Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Zahnarzt

Kommt es wegen dem Behandlungsfehler durch eine fehlerhafte Zahnprothese beispielsweise zu erheblichen Druckstellen, dauerhaften Schmerzen im Mund und beim Essen oder einem Völlegefühl, das zu ständigen Brechreiz führt, so ist hierfür Schmerzensgeld und Schadensersatz zu leisten. Auch psychische Belastungen können bei der Bemessung eine Rolle spielen.

Die Gerichte sprechen in solchen Fällen die jeweils vom Einzelfall abhängigen, je nach Schwere zu bestimmenden Summen zu:
–    OLG Oldenburg, Urteil v. 05.09.1995, 5 U 75/95: 2 045 Euro
–    OLG Köln, Urteil v. 29. August 1990, 27 U 30/90: 4 090 Euro
–    OLG Koblenz, Urteil v. 19.06.2007, 5 U 467/07: 6 000 Euro
–    OLG Koblenz, Urteil v. 15.11.2006, 5 U 159/05: 7 000 Euro

Ersatzfähig sind neben dem Schmerzensgeld bei entsprechenden Nachweisen jedoch auch Vermögensschäden, die auf dem Behandlungsfehler beruhen. Dies können Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden Zuzahlungen zu Medikamenten, Fahrtkosten etc. sein.

In dem von uns erstrittenen Vergleich vor dem Landgericht Würzburg vom 01.06.2015 (11 O 371/14 Hei) wurde ein Gesamtschadensersatz von 4.050 Euro erreicht.